Redebeitrag Lübeck Flüchtlingsforum zum Tag des Flüchtlings am 27.9.2024

m Jahr 1986 wurde mit der Gründung der Organisation Pro Asyl auch der Tag des
Flüchtlings ins Leben gerufen, den wir heute begehen.
Dieses Jahr fällt dieser Tag in eine von einer aufgeheizten Diskussion um das Asylrecht
geprägten Zeit.
Im Januar diesen Jahres standen wir völlig überwältigt mit 10 000 Demonstrierenden
am Holstentor.
Wir alle wollten „Die offene Gesellschaft verteidigen und dem Rechtsruck
entgegentreten“.
9 Monate später befinden sich viele von uns sind in einer Art Schockstarre angesichts
der Geschwindigkeit mit der in diesem Land in den letzten Wochen die Grund- und
Menschenrechte abgeschafft und Verfassungsrechte ignoriert werden.
Die grausamen islamistischen Anschläge in Mannheim und Solingen werden von uns
aufs schärfste verurteilt und wir trauern mit den Angehörigen der Opfer. Die Gefahr
durch islamistischen Terror ist real!
Aber es kann nicht sein, dass durch die furchtbaren Taten Einzelner alle Geflüchteten
und Migrant*innen in Haft genommen werden.
Egal, ob es um islamistischen Terror geht, um die Bedrohung von rechts oder um seit
Jahren nicht gestärkte bzw. kaputt gesparte soziale Infrastruktur – schuld sind die
Geflüchteten.
Aber zur Zeit ist die einzige politische Antwort auf die katastrophalen und
beängstigenden Wahlerfolge von Rechtsextremisten und Rechtspopulisten die
Übernahme derer menschenverachtender Begriffe und Forderungen.
Der Entzug von Sozialleistungen für Geflüchtete, eine Abschiebeoffensive in
Folterstaaten wie Afghanistan und Zurückweisungen, die sogenannten Pushbacks, an
deutschen Grenzen:
Mit diesem täglichen Überbietungswettbewerb von Seiten der Bundesregierung, der
Opposition und kommunalen Spitzenverbänden mit ständig neuen Forderungen und
Plänen wird den Rechtsextremen in die Hände gespielt.
Da wird schwadroniert von nationaler Notlage, Kontrollverlust, Zustrombegrenzung,
der Magnetwirkung des Sozialstaats und die Streichung des Asylrechts aus dem
Grundgesetz wird gefordert. Das ist verantwortungslos und vollkommen
geschichtsvergessen.
Würden die geplanten Sozialleistungskürzungen tatsächlich in die Praxis umgesetzt,
dann würde dies zu einer bis heute in Deutschland unbekannten Obdachlosigkeit von
schutzsuchenden Menschen führen. Eine unerträgliche Situation, die schon in einigen
EU-Ländern Realität ist. Dies ist einer der Gründe, weshalb Menschen sich
gezwungen sehen, innerhalb der EU weiter zu fliehen.
Und es ist doch klar: selbst wenn die Abschiebeszenarien in die Tat umgesetzt werden
– es wird keine günstige Wohnung mehr gebaut, kein zusätzlicher Kitaplatz geschaffen
oder die Versorgung von Pflegebedürftigen bezahlbar.
Während in Syrien der Bürgerkrieg weitergeht und in Afghanistan die Frauenrechte mit
Füßen getreten werden, ist die deutsche Regierung im Hintergrund dabei
Abschiebungen dorthin vorzubereiten. Es wird verhandelt mit nordafrikanischen
Diktaturen und mit weiteren sogenannten strategisch wichtigen Schlüsselstaaten wie
Usbekistan, das gute Verbindungen zu den Taliban in Afghanistan hat.
Dies alles ist ein strategischer Angriff auf die Verfassung, die Menschenrechte und auf
den gesellschaftlichen Zusammenhalt im Einwanderungsland Deutschland und auf ein
solidarisches Europa.
Und niemand spricht von den Ängsten, traumatischen Erfahrungen, Gefühlen der
Menschen, die geflüchtet sind um ein sicheres Leben und Auskommen zu finden.
Sie werden nicht mehr als Menschen angesehen, sondern mit technokratischen
Begriffen umschrieben.
Doch gerade in diesen Zeiten braucht es mehr als sonst Zusammenhalt und Solidarität
in unserer Gesellschaft.
Unsere Position ist und bleibt klar: Menschenrechte und Menschenwürde sind
Kernbestandteile unseres Zusammenlebens, die wir niemals aufgeben dürfen und
niemals aufgeben werden.
Wir vermissen und fordern konstruktive und menschenrechtsgeleitete Vorschläge.
Es gilt, die Arbeit der Zivilgesellschaft zu unterstützen statt Ängste zu schüren und
Gesellschaftsgruppen gegeneinander auszuspielen.
Wer die Menschenrechte vergisst, vergisst sich selbst!
Gesellschaften, die die umfassende Gültigkeit der Menschenrechte verteidigen,
verteidigen gleichzeitig die eigene Existenz!
Enden möchte ich mit einem Zitat von Karl Kopp von Pro Asyl:
„Die Flüchtlingskonventionen, Menschenrechtskonventionen und auch das
Grundgesetz sind Antworten der Zivilisation auf die Barbarei gewesen – auf den
Nationalsozialismus. Das jetzt infrage zu stellen, finde ich sehr beängstigend und
geschichtsvergessen, wenn sie so weitermachen, wird alles in Gefahr geraten.“
Deswegen: Schluss mit der rassistischen Kampagne gegen Geflüchtete und
MigrantInnen!
Für Solidarität, Menschlichkeit und das unveräußerliche Recht auf Asyl!